* Abdellah Hammoudi (Marokko): Une saison à la Mecque. Récit de pèlerinage, Seuil, Paris, 2004 [A Season in Mecca. Account of a Pilgrimage]. Der in Princeton lehrende marokkanische Anthropologe Abdellah Hammoudi entschließt sich im Alter von 50 Jahren, die die Pilgerreise nach Mekka, anzutreten. Seine Absicht ist es, das zentrale Ritual des Islam einerseits als Ethnograph zu beschreiben, andererseits – trotz seines Selbstverständnisses als säkularisierter Muslim - die persönliche spirituelle Dimension dieser Erfahrung zu erkunden. Une saison à la Mecque ist zugleich Reiseerzählung wie eine Studie der mit der „großen Hadsch“ verbundenen historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und psychologischen Hintergründe der muslimischen Gemeinschaft.
Der 3. Preis (20.000 Euro) ging an
* Riverbend (Irak): Baghdad Burning. Girl Blog from Iraq, The Feminist Press at the City University of New York, New York, 2005 & Marion Boyars Publishers, London, 2005. Riverbend, eine junge Irakerin, verfaßt unter Pseudonym ein Internet-Tagebuch in englischer Sprache. Ihre souveräne Beobachtungsgabe, ihre Intelligenz und ihr außergewöhnliches Sprachvermögen machen ihre unter dem Titel Baghdad Burning auch als Buch publizierten Aufzeichnungen aus der Lebensmitte einer normalen irakischen Familie zu einem einzigartigen kritischen Dokument über das Leben des geschundenen Landes unter den Bedingungen des Krieges und der US-amerikanischen Militärokkupation.
Die weiteren Finalisten erhielten Preise in Form von Aufenthalten in Berlin (gestiftet vom Goethe-Institut) und handgefertigte Uhren der Firma Nomos.
Es sind:
* Carolin Emcke (Deutschland): Von den Kriegen. Briefe an Freunde, S. Fischer, Frankfurt am Main, 2004 [Of Wars. Letters to Friends]. Carolin Emcke, Reporterin des Spiegel, schreibt in Von den Kriegen. Briefe an Freunde über ihre Arbeit als Krisen- und Kriegskorrespondentin in verschiedenen Regionen der Welt. Der persönliche und reflektierende Ton dieses Buches dringt tief ein in die Panoramen des Schreckens sowie die Anfechtungen dieses Berufs. Diese Diagnosen vom Zustand der Welt machen auf sensible Weise auch den Alltag und die Innenwelten einer Journalistin erfahrbar.
* William Langewiesche (USA): The Outlaw Sea. A World of Freedom, Chaos, and Crime, North Point Press, New York, 2004. Unter dem Titel The Outlaw Sea. Chaos and Crime on the World’s Oceans bei Granta Books, London, 2005 veröffentlicht. Der amerikanische Reporter William Langewiesche erkundet in seinem Buch The Outlaw Sea Gesetzlosigkeit und Anarchie der Ozeane. Seine Geschichten handeln von Schiffskatastrophen, Meerespiraterie, den Auseinandersetzungen um eine internationale Meeresgesetzgebung, dem Konflikt zwischen Profitstreben der Reedereien und ökologischen Erfordernissen sowie vom Abwracken ausgedienter Ozeanriesen.
* Suketu Mehta (Indien): Maximum City. Bombay Lost and Found, Alfred A. Knopf, New York, 2004. Der indische Schriftsteller Suketu Mehta entschließt sich, nach Jahren in New York, nach Bombay/Mumbai, in die Stadt seiner Kindheit zurückzukehren. Maximum City. Bombay Lost and Found ist ein facettenreiches Porträt der indischen Megametropole und schildert die Kunst des Überlebens inmitten des urbanen Chaos. Der Autor begleitet Landflüchtlinge und Straßenkinder, Gangster und Polizisten, Filmstars und Transvestiten, Diamantenhändler und Erlösungssuchende. Sein Buch schildert die Schrecken und die Wunder dieses urbanen Molochs zwischen Archaik und Moderne.
* Ricardo Uceda (Peru): Muerte en el pentagonito. Los cementerios secretos del Ejército Peruano, Editorial Planeta, Bogotá, 2004 [Death in the Little Pentagon. The Secret Killing Fields of the Peruvian Army]. Der peruanische Journalist Ricardo Uceda taucht ein in die schon verdrängte jüngere Geschichte Perus und geht einer Geheimgeschichte des peruanischen Heeres nach. Muerte en el Pentagonito ist eine auf vielen Zeugenaussagen beruhende Recherche über den schmutzigen Krieg zwischen der aufständischen Guerillaorganisation Leuchtender Pfad und der peruanischen Armee zu Beginn der 80er Jahre. Das Buch gehört mit seinen brisanten Enthüllungen zu dem in vielen lateinamerikanischen Ländern unternommenen Versuch, die Geschichte der letzten Jahrzehnte kritisch zu rekonstruieren.
Auszüge aus den nominierten Texten sind auf deutsch in der aktuellen Ausgabe von Lettre International, Nr. 70, publiziert.
Die Gewinner der Auszeichnung wurden am Samstag, 15. Oktober, in Berlin im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung mit 500 internationalen Gästen aus Literatur, Kunst, Kultur, Medien, Politik und Diplomatie (darunter dreizehn Botschafter) bekannt gegeben. Hauptredner des Abends war der schwedische Schriftsteller Sven Lindqvist, der unter dem Titel „The Power of Truth“ (hier) am Beispiel der Geschichte der Kolonialpolitik in Afrika über Ethik, Verantwortung und Wirkungsmacht der Kunst der Reportage sprach. Der südafrikanische Schriftsteller Breyten Breytenbach und die Sprecherin der Jury, Isabel Hilton, führten als Moderatoren durch den Abend.
Der jährlich vergebene Lettre Ulysses Award wurde 2003 von der Kulturzeitung Lettre International in Verbindung mit der Aventis Foundation ins Leben gerufen. Das Goethe-Institut ist Partner des Projekts.
Insgesamt wurden 100.000 Euro Preisgeld sowie Aufenthalte in Berlin und Sachpreise vergeben. Ziel des Preises ist es, die herausragenden Leistungen der literarischen Reportage in den Mittelpunkt internationaler Aufmerksamkeit zu rücken und deren Autoren ideell und materiell zu unterstützen.
Die Mitglieder der Jury repräsentieren mit ihren Muttersprachen neun der größten Sprachregionen der Erde und gewährleisten so ein größtmögliches Spektrum sprachlicher und kultureller Wahrnehmung.
Die Jurymitglieder 2005 waren: Swetlana Alexijewitsch (Weißrussland), Gamal Al Ghitani (Ägypten), Mark Danner (USA), Isabel Hilton (Großbritannien), Lung Yingtai (Taiwan), Pankaj Mishra (Indien), Anne Nivat (Frankreich), Sergio Ramírez (Nicaragua), Pedro Rosa Mendes (Portugal), Ilija Trojanow (Deutschland).
Weiter Informationen zu den nominierten Texten, zum Preis und zur Jury finden sich auf der Homepage: www.lettre-ulysses-award.org
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